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Familienplanung im Wandel oder Was unsere Geschichte mit der Gesellschaft zu tun hat

  • kontakt33667
  • 14. Sept.
  • 6 Min. Lesezeit
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Ein Jahr lang möchte ich euch nun schon von meinen Gedanken und Erlebnissen in der Schwangerschaft von Thora erzählen. Es möchte gesagt werden, aber irgendwie hab ich es doch lange erfolgreich vor mir hergeschoben. Nun, zum ersten Geburtstag unserer Tochter und ihrer Namensweihe könnte es besser nicht passen. Doch wo fängt man an und wie weit holt man aus? Mit einem neuen Menschenkind gibt es so viele Dinge, die sich verändern, so viele Lebensthemen, die es berührt, bevor es überhaupt geboren ist. Es ist der Anfang von gesellschaftlichen, politischen, finanziellen, ethischen und wohl noch vielen anderen Themen, die den werdenden Eltern durch den Kopf gehen. Passend zu unserer Feier waren wir auch auf dem

5-jährigen Jubiläum des Geburtshauses, in dem unsere Töchter geboren wurden. Die dort wahrgenommenen Gespräche haben mich zusätzlich veranlasst, das Thema aufzugreifen. Heute nehme ich euch also mit auf meine lang gehegte Gedankenreise.


Ich gehöre zu den Menschen, die sich im Laufe des Lebens Meilensteine festlegen. Kinder wollte ich schon immer. Eine genaue Anzahl gab es jedoch nie, allerdings mehr als eins. Nachdem ich 2015 das erste Mal Mama wurde, kam 6 Jahre später unsere Räubertochter auf die Welt. Wenige Jahre später machte sich mehr und mehr der Wunsch nach einem weiteren Kind breit. Aber irgendwie wollten meine anderen gesetzten Meilensteine nicht mitziehen. Durch die verschiedenen Baustellen auf dem Hof und unser ausgefülltes Leben im Allgemeinen hatte ich dann doch irgendwann mit der Familienplanung abgeschlossen. Es passte zu dem Zeitpunkt nicht und für später dachte ich, ich wäre zu alt – so zumindest mein Fazit. Ich konzentrierte mich also auf die Karriere und die Fertigstellung des Hofes und fing an, mich gedanklich damit zu arrangieren. Ich fand immer mehr positive Aspekte, kein weiteres Kind zu bekommen. In meinen Weiterbildungen hatte ich schließlich gelernt, dass es ratsam ist, beide Varianten eines Plans zu bedenken. Die eine, wenn er sich erfüllt, und den berühmten Plan B, falls etwas dazwischenkommt.

Nun konnte ich mit meinem Plan B immer besser leben. Bis ich eines Morgens aufwachte und feststellte, dass irgendwas nicht stimmte. Fast ferngesteuert machte ich einen Test und betrachtete ohne viele Worte das positive Ergebnis. Die darauffolgenden Wochen würde ich als mittelschwere Katastrophe beschreiben. Unzählige Selbstgespräche und viele Gespräche mit vertrauten Menschen folgten.


Das Universum schickte mir eine Frau nach der anderen, die irgendwann in ihrem Leben auch schon einmal in genau derselben Situation war. Ein ungeplantes Menschlein, über dessen Leben entschieden werden musste, bevor es die Welt erblicken würde. Angst, Unmut, Ohnmacht und eine gute Portion Wut begleiteten mich nun täglich. Die Wut darüber, in eine solche Situation gekommen zu sein, überschattete die Gedanken, dass nichts ohne Grund passiert. Neben den Gesprächen mit Frauen, die sich in ihrem Leben schon gegen ein Baby entschieden hatten, traf ich auch jemanden, der mit der Gewissheit lebte, zwar geboren worden und dennoch nicht gewollt gewesen zu sein. All diese Facetten bekam ich nun präsentiert, um eine Entscheidung zu treffen.

Ich weiß noch, dass ich bereits im Grundschulalter mal sagte, ich könne nie abtreiben und damit ein Leben beenden. Jetzt verstand ich all jene, die es taten oder getan hatten. Ich konnte alle Frauen verstehen. Jede einzelne Geschichte bewegte mich. Und eines verband sie alle – die Wehmut. Ein Kind gehen zu lassen, begleitet ein Leben lang. Die Gedanken daran, wie alt es heute wäre, wie ihr Leben mit ihm aussehen würde, welche Wege sie eingeschlagen hätten, verblassen nicht. Sie sind immer da. Mal mehr, mal weniger präsent. Wie sehr es Menschen prägt, die von ihren Eltern nicht gewollt waren, oder wie es sich für Außenstehende anfühlt, die niemals eigene Kinder bekommen können, beschäftigte mich genauso wie der Gedanke an all die Paare, die schon Kinder verloren haben. So viele Geschichten, so viele Gefühle und Gedanken und dennoch sprechen die wenigsten darüber … Warum?


Nun, Abtreibung ist ein Tabuthema. Ethisch und moralisch verpönt. Natürlich, es geht um ein Leben. Allerdings nicht nur um das des Ungeborenen, sondern auch um das der Mutter. Findet das immer genügend Beachtung? Keine Kinder bekommen zu können, hängt auch keiner „an die große Glocke“ und über Verluste und Trauer wird lieber geschwiegen. Werden in unserer Gesellschaft Frauen und Männer in solchen Situationen aufgefangen? Meiner Meinung nach nicht genug. Neben den Gesprächen bei Ärzten fehlt es an gesellschaftlichem Rückhalt. An Schutz. Schutz vor finanziellen Repressalien, vor sozialer Verarmung, Schutz vor physischen und psychischen Leiden. Die meisten Menschen treffen die Entscheidungen gegen ein Kind aufgrund finanzieller Aspekte. Aus Angst, den Job zu verlieren oder erst gar nicht anfangen zu können. Aus Angst, „es sich nicht leisten zu können“, die Herausforderung nicht zu meistern. Unsere Gesellschaft entwickelt sich aus meiner Sicht in die falsche Richtung.


Emanzipation ist wichtig, Gleichberechtigung und Augenhöhe – allerdings nicht auf Kosten der Familie und deren Wichtigkeit und der eigentlichen Rolle der Frau. Ja, Frauen sollen entscheiden dürfen, welchen Weg sie gehen wollen. Allerdings jede nach ihrer Fasson. Eine Frau „hinter dem Herd“ gebührt genauso viel Respekt und Anerkennung wie jener, die ein Unternehmen leitet oder ihrem „normalen“ Job nachgeht. Andersherum gilt das Gleiche für Männer. Wer hat festgelegt, dass ein Mann hart arbeiten muss, um ein Mann zu sein? Wieso wird ein Hausmann belächelt, anstatt anerkannt zu werden? Was ist mit unserer Gesellschaft passiert, dass eine Frau aufgrund finanzieller Aspekte und gesellschaftlicher Ansichten eine Schwangerschaft abbricht? Warum gebührt einer Frau, die Kinder großzieht, für sie sorgt und täglich 24/7 für die Familie da ist, nicht genauso viel Respekt und Anerkennung wie einer Frau, die ohne Kinder ihr Leben bestreitet? Wann haben wir zugelassen, dass Arbeit mehr Wertigkeit hat als Kinderbetreuung und häusliche Tätigkeit?


Wir geben unser kostbarstes Gut, noch bevor es richtig laufen kann, in fremde Hände, um arbeiten zu können. Geld zu verdienen, um andere für die Betreuung unserer Kinder zu bezahlen, sich das Leben zu leisten. Die Anzahl der Kinder entscheidet oft das Haushaltsbuch und nicht das Herz. Wir lassen es zu, dass Leben so viel kostet. Dass wir mehr und mehr arbeiten müssen und dabei vergessen, zu leben. Ein Thema – unzählige Kapitel.



Was ich aber heute damit sagen will, ist, dass ich durch die damaligen Gespräche immer wieder zu dem Punkt kam, dass Geld einen großen Einfluss auf die Entscheidung hat und es an uns als Gesellschaft liegt, dies zu verändern! Natürlich waren es auch meine inneren Themen: Wie sollen wir ein weiteres Kind finanzieren, was geschieht mit meinem Unternehmen? Was werden die anderen sagen? Werde ich Kundschaft verlieren? Schaffen wir das trotz der Umstände? Auch ich bin noch nicht ganz gefeit davor, meinen Wert im Außen zu definieren, auch ich war gezwungen, den finanziellen Aspekt zu betrachten, und auch ich fand genügend Argumente, die alle gegen ein Kind sprachen.

Und das muss aufhören!



Die Entscheidung über ein Leben sollte nicht an äußere Umstände geknüpft sein. Es ist Zeit, unsere Werte zu überdenken. Es ist Zeit, Moral und Ethik zu hinterfragen. Wir müssen wieder füreinander da sein und den Wert der Familie, den Wert unserer Kinder innerhalb der Gesellschaft erkennen. Familie und Arbeit, Selbstverwirklichung und „Eltern sein“ können gleichermaßen erfolgreich funktionieren, wenn wir es als Gesellschaft anerkennen und wertschätzen. Es gibt immer einen Weg.


Heute bin ich aus tiefstem Herzen dankbar für all die Menschen, die vor einem Jahr für mich da waren. Die mir ihre Geschichte erzählt haben. Durch die ich so viel fühlen und erkennen durfte. Durch die es mir gelungen ist, in mich hinein zu hören. Denn unabhängig von allem Äußeren weiß unser Inneres immer die richtige Antwort. Wir brauchen Platz in unserer Gesellschaft für all diese Geschichten, für all die Menschen, die bereits vor solchen Entscheidungen standen. Und nicht zuletzt braucht es Vertrauen in uns selbst. Jeder Einzelne von uns weiß tief im Inneren, was richtig für ihn ist. Und wenn wir aus dem Herzen heraus entscheiden, dann treffen wir immer die richtige Entscheidung für uns! Ich bin so froh, mich trotz aller Umstände für das Leben entschieden zu haben. Es hat mir gezeigt, was mich glücklich macht. Auch wenn es etwas gedauert hat, bis ich es erkannt habe. Für mich gibt es kein größeres Geschenk, was mich so erfüllt und gleichzeitig so viel Klarheit gebracht hat. Denn nicht nur menschlich durfte ich mich dadurch weiterentwickeln, sondern auch fachlich werde ich diese Erfahrung in meine Arbeit mit Menschen integrieren können. Damit schließe ich dieses Kapitel und wünsche mir für die Zukunft viele mutige Männer und Frauen, die sich offen mit diesem Thema auseinandersetzen und uns damit allen die Chance auf Weiterentwicklung geben.

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